RIAG -
Rudolf Ihm AG.
Bild
die Geschichte
einer
Raunheimer Firma von den Anfängen bis zum Ende
herausgegeben
vom
Heimatverein Raunheim e.V.
V,80 Seiten, 99
s/w Fotos,
Format 18 x 25,5 cm, in Lederimitat gebundene Ausgabe mit Goldprägung,
Edition
Peter Reimer, Trebur, ISBN 3-936040-06-0, ISBN13: 978-3-936040-06-7,
EUR 19,90.
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Die
Geschichte der Ihm’schen Lederfabrik geht bis weit in das vorletzte
Jahrhundert
zurück. Damals (1828) gründete Emil Ihm in Offenbach eine nach ihm
benannte
Lacklederfabrik.
Nach
dem Tod von Emil Ihm übernahm das älteste seiner vier Kinder, Rudolf, dessen Namen die Raunheimer Fabrik
trägt, 1852,
neunzehnjährig, die Fabrik. Gegen Ende 1856 ging Rudolf eine Geschäftsverbindung mit Herrn
Adolf Pfalz ein. Fünf Jahre lang wurde die Fabrik unter dem Namen
‘Lacklederfabrik R. Ihm & A. Pfalz’
geführt. Danach wurde diese Verbindung aufgelöst und Rudolf führte die
Fabrik unter
seinem eigenen Namen weiter.
1862 heiratet Rudolf Ihm Elisabeth
Bettelhäuser, die Tochter des damals
bekannten Mainzer Lederhändlers Carl Bettelhäuser. Die Firma in
Offenbach bestand danach noch ein weiteres Jahr. 1863 wurde sie
aufgelöst.
Rudolf Ihm arbeitete nun für seinen Schwiegervater. Die Offenbacher Zeit bedeutete für die Ihms den Einstieg in die
Lederfabrikation. Die Firma Bettelhäuser war für die Firmengeschichte
jedoch
von mindestens so grosser Bedeutung, da aus ihr die Rudolf Ihm AG
hervorgegangen
ist.
1866 wurde die zwischen Hinterer und
Mittlerer Bleiche gelegene Kalblederfabrik von Paul Meyer übernommen
und nach
Rudolfs Vorstellungen umgebaut. Neben den alten Lederarten wurden vor
allem
gefärbte Leder erzeugt, damals noch sehr neue und nicht ohne
Schwierigkeiten zu
produzierende Artikel.
Das Exportgeschäft wurde dank Rudolf
Ihms Kenntnissen und Fähigkeiten immer weiter ausgebaut. Außerdem bot
die
bessere Verkaufsorganisation von Carl Bettelhäuser ihm die Möglichkeit,
den
Absatz seiner Fabrikate weiter zu erhöhen.
1880 starb Carl Bettelhäuser. Die Firma
bestand noch einige Jahre weiter, wurde dann aber 1887 aufgelöst.
Rudolf
übernahm die Lederfabrik und führte sie unter eigenem Namen weiter. Sie
hieß
fortan ‘R. Ihm Fabrik gefärbter Leder’.
Um 1900 traten Rudolfs 2 Söhne Emil und
Karl in die Firma ein. Im Februar 1906 schloss Rudolf mit seinen beiden
Söhnen
einen Gesellschaftsvertrag. Emil sorgte sich um den kaufmännischen Teil
des
Geschäftes während Karl für die Fabrikation zuständig war. Die
Fabrikation
stieß in den Mainzer Räumlichkeiten schon lange an ihre Grenzen. Der
Bedarf an
Ledern war groß aber ausbreiten konnte man sich nicht. Die Verhältnisse
unter
denen gearbeitet wurde, waren beengt und dunkel.
“Je
größer die Möglichkeiten zum Fortschritt waren, desto fühlbarer wurde
die
Beschränktheit in der Mainzer Fabrikanlage, und es ist wiederum dem
Weitblick
Rudolf Ihms zu verdanken, dass er sich frühzeitig nach Gelände zur
Errichtung
einer neuen Anlage umsah. Der grundlegende Gesichtspunkt zur Auswahl
desselben
war das Vorhandensein von vielen und weichen Wassers. Ich erinnere mich
mit
Vergnügen der vielen Ausflüge, die ich mit meinem Vater zu diesem Zweck
unternommen habe. Das in Mainz selbst erhältliche Wasser war hart,
vorzüglich
zum Genuss, schlecht zu unserer Fabrikation, bei der ja gutes weiches
Wasser
eines der notwendigsten Materialien ist. In sehr verständnisvoller
Weise wurden
wir in unseren Untersuchungen von dem inzwischen leider verstorbenen
Bergrat
Dr. Steuer unterstützt und fanden nach vielen und reiflichen
Überlegungen
Raunheim als geeigneten Platz, wo im Jahre 1908 zunächst mit der
Errichtung
einer Gerberei begonnen wurde.
Mit
der Grundsteinlegung der Fabrik in Raunheim hat Rudolf Ihm seine
geschäftliche
Tätigkeit beschlossen und sein Lebenswerk gekrönt.”
(Aus: Rede Karl Ihms anlässlich des
Firmenjubiläums 1937)
Das fehlende Licht war bei der
Ihm’schen Spezialität der Lederfärbung ein Problem. Für Karl war es
eine große
Sorge und bei einem eventuellen Neubau sollten helle Räumlichkeiten mit
gutem
Lichteinfall im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen. Ein anderer
wichtiger
Faktor waren die Wasserverhältnisse. Bei der Lederfabrikation spielt
Wasser
eine große Rolle. Besonders Farbstoffe reagieren sehr empfindlich und
können
ihr volles Farbspektrum bei ungeeignetem Wasser nicht entfalten. Hartes
Wasser
ist für die Färbung besonders ungeeignet und an erster Stelle stand
darum die
Suche nach einem Gelände mit weichem Wasser, das auch in ausreichenden
Mengen
zur Verfügung stehen sollte.
Sechs Jahre nach den ersten Erkundigungen und
Bohrungen besann man sich wieder auf die schon früher angebotenen
Grundstücke
in Raunheim. Zwischen Ende 1908
und 1909
wurden alle Grundstücke zusammengekauft, so dass ein Gelände von
ungefähr
135.000 qm erwoben war.
Im März 1909 wurden die Arbeiten für
die Baupläne in Angriff genommen. Die Einrichtung der Gerberei, des
Maschinenhauses, der Beamten- und Arbeiter-Wohnhäuser sowie des
Abwasserkanals
und der Entfettungs- und Kläranlage wurde am 6.12.1909 genehmigt und
mit den
Bauten im Frühjahr 1910 begonnen. Die Bauten waren Ende 1910
fertiggestellt und
konnten im Februar 1911 bezogen werden. Von diesem Zeitpunkt ab waren
Gerberei
und Entfettung in Raunheim, Zurichterei, Verkauf und Geschäftsleitung
in Mainz.
Im Mai 1913 begannen die Arbeiten für
die Ausführung des Bürobaues und des Färbereibaues nach den bereits
früher
festgelegten Plänen. Die Bauten waren erst Ende 1916 fertiggestellt,
die
inneren Einrichtungen zumeist auch Ende 1916.
1910 war Rudolf Ihm gestorben. Die
Leitung der Fabrik war schon seit längerem in Händen von Karl und Emil
Ihm.
Emil war verantwortlich für den Vertrieb und Karl leitete die Fabrik.
Die Umstellung des Betriebes nach dem
Kriege machte eine Erweiterung der Gerberei nötig, die durch Vorbau vor
das
Erdgeschoss des Gerbereibaues auf der Ostseite im Jahre 1919 erreicht
wurde.
Im Jahre 1921 (Juni) fand die
vollkommene Verlegung der Mainzer Fabrik nach Raunheim statt. Das
Gelände
in Mainz wurde verkauft.
Noch
Ende 1921 wurden die Pläne zur Errichtung einer Vergrößerung des
Gerbereibaues
in der Südrichtung durch einen fünfstöckigen Bau und in der
Westrichtung durch
einen ähnlichen Vorbau, wie er vor dem Erdgeschoß nach Osten im Jahre
1919
ausgeführt wurde, entworfen.
Durch die Umstände der letzten Jahre
hatte sich in der Produktion vieles geändert und war die Produktpalette
sehr
gewachsen. Nicht alles was produziert wurde, war rentabel. Es gab viele
Artikel
die nur in kleinen Stückzahlen gefertigt wurden. Viele solcher Aufträge
waren
direkt nach dem Krieg nur akzeptiert worden, weil es an erster Stelle
darum
ging, die Produktion fließend zu halten.
Im August 1924 zog die Geschäftsführung
sich zu einer Besprechung auf der Schweigmatt, dem Feriendomizil der
Familie
Ihm, zurück, um wieder zu einer klaren Linie bei der Fabrikation
zurückzufinden. Die früheren und auch die aktuellen Fabrikate der Firma
waren
auf ihre Rentabilität zu prüfen, gegebenenfalls für neuen Verhältnisse
neu zu
kalkulieren. Artikel die viel Zeit und umständliche Bearbeitung
erforderten,
ebenso Modesachen, die nur Eintagsfliegen waren, hatten keinem Zweck,
sobald
das Geschäft flott ging.
1923 war die R. Ihm Fabrik gefärbter
Leder von einer offenen Handelsgesellschaft in eine Aktiengesellschaft
umgewandelt worden. Die Aktien gehörten zu je 50% Emil und Karl Ihm.
Im Januar 1937 bestand die Fabrik 50
Jahre unter dem Namen R. Ihm. In
verschiedenen Ansprachen wurden die Leistungen des Gründers gewürdigt.
Im selben Jahr übertrugen Emil und Karl
Ihm ihre Vorstandsposten an Rudolf, Emils Sohn, und an Dirick von Behr,
Karls
Schwiegersohn. Am 1. Oktober schieden die beiden älteren Herren aus dem
Vorstand aus. Die Hauptverantwortung für die Betriebsführung trug
Dirick von
Behr, der nach einem abgeschlossenen Bergbaustudium an der Technischen
Hochschule in Berlin mehrere Jahre in leitender Stellung in Brasilien
in der
Textilindustrie gearbeitet hatte.
Als der Krieg ausbrach und Rudolf Ihm
eingezogen wurde, führte er die Geschäfte ganz alleine.
1941 starb Karl Ihm. Seine Tochter
Mathilde erbte seine Anteile an der Firma.
Im März 1945 fiel Dirick von Behr durch
Artilleriebeschuss der Amerikaner. Mathilde erbte auch seine Anteile
und besaß
nun 50% der Aktien. Ihr Vetter Dr. Rudolf Ihm und sein Vater Emil Ihm
besaßen
je zur Hälfte den anderen Teil.
Im Oktober 1946 starb Emil Ihm. Seine
Aktien gingen an seine Witwe Elise und an die Kinder Rudolf, Bertel und
Lotti.
Im August 1947 kaufte Dr. Rudolf Ihm seinen Miterben die Aktien ab und
kam in
den Besitz aller Anteile, die Emil Ihm einmal gehört hatten. Dr. Ihm
besaß nun
50% der Aktien.
Die
gute wirtschaftliche Lage der Fabrik konnte eine sich immer stärker
entwickelnde Entfremdung zwischen den zwei Eigentümern der Firma nicht
verhindern.
Dr.
Ihm, Emils Sohn, war als studierter Volkswirt an den wirtschaftlichen
Aspekten
einer Firma interessiert. Zu dem Gerberhandwerk hatte er nur sehr wenig
Beziehung. Die von ihm mitgeerbte Lederfabrik sah er allererst als eine
nicht
mehr ganz zeitgemäße Art Geld zu erwirtschaften. Die alten
Spezialitäten der
Ihms verloren immer mehr an Bedeutung und, um rechtzeitig auf die
Nachfrage
nach moderneren Lederarten eingehen zu können, stellte er den
Gerbereiingenieur
Walter Hoerter ein. Da er sich fragte, ob Leder nicht auf Dauer von
anderen,
synthetischen Werkstoffen verdrängt werden würde, unternahm er Versuche
mit der
Produktion von Kunststoffen. Die ganz besonderen Umstände in den
Nachkriegsjahren verlangten nach einer anderen als der traditionellen
Betriebsführung.
Mathilde
von Behr, geb. Ihm und Karls Tochter,
war zwar ebenfalls im Besitz von 50% der Anteile, hatte aber keinerlei
Befugnisse in der Fabrik. Nach Diricks Tod war ihr Vetter Rudolf das
alleinige
Vorstandsmitglied.
Mathilde
hatte im Gegensatz zu Rudolf eine enge Beziehung zu den von der Firma
hergestellten Artikeln. Sie durchlief von 1922 bis 1924 eine
kaufmännische
Lehre in der elterlichen Firma. Von 1927 bis 1928 studierte sie an der
Höheren
Lehranstalt für Chemie in Leipzig und als erste Frau besuchte sie von
1928 bis
1930 die Vorlesungen über Gerbereichemie an der Technischen Hochschule in Darmstadt. Die Fabrik sah sie als das
Erbe ihres Vaters und es war ihr ganzes Ziel dieses Erbe der Familie zu
erhalten.
Dr.
Ihm fand Rückhalt bei den Herren Hoerter und Dr. Gold, Mathilde von
Behr vor
allem bei den Aufsichtsratsmitgliedern.
Dr.
Ihm betrachtete den Aufsichtsrat mit großem Misstrauen, während
Mathilde an der
Richtigkeit der vom alleinigen Vorstandsmitglied Dr. Ihm getroffenen
Entscheidungen zweifelte. Eine Spaltung in der Firma zeichnete sich ab.
1949
trat Mathilde von Behr in den Vorstand ein.
Ein
Jahr später schied Walter Hoerter aus dem Vorstand aus. Er verließ die
Firma.
Mathilde
schied 1955 ebenfalls aus und wurde in den Aufsichtsrat berufen. Ihre
Stelle
wurde von den beiden langjährigen Mitarbeitern, den Prokuristen Herbert
Lüttgen
und Dr. Theo Brand eingenommen.
Im
selben Jahr trat Rudolf als Vorstandsmitglied ab.
Die
Produktion war inzwischen in sehr großen Schwierigkeiten, Die
Rohwarenbeschaffung war stark abhängig von den gewährten Krediten.
Kredite zu bekommen
war schon seit längerer Zeit sehr schwer gewesen.
Als
im Laufe des Jahres 1955 die Deutsche Bank in Frankfurt und die
Rhein-Main-Bank
in Mainz wegen Verlusten bei der Rudolf Ihm A.G. die
Kredite kündigten, musste die Produktion sehr stark gedrosselt
werden.
Im
November 1956 kam es zu einem Vergleich zwischen den Aktionären und der
Firma.
Ein paar Monate später erwarb Hermann Röhm aus Schorndorf alle Aktien.
Damit
war das Bestehen der Firma R. Ihm AG, Fabrik gefärbter Leder, nach
langjähriger
Geschichte und Familientradition, beendet.
Datum
der letzten Aktualisierung: 2007-04-27